Jede Mediation ist streng vertraulich. Daher haben wir die Namen der Beteiligten geändert und den Konflikt verfremdet.

Konflikt zwischen Vater und Tochter

Medianden:
Rui, 47 Jahre, geschieden, Bauingenieur
und seine Tochter
Rita, 23 Jahre, ledig, Krankenschwester (mit Hochschulstudium)

Konfliktsituation:
Rita arbeitete als unbezahlte Praktikantin in einem Lissabonner Krankenhaus. Ihr Vater Rui finanzierte ihren Lebensunterhalt: das Ein-Zimmer-Apartment, Verpflegung, Tennisstunden und das Ausgehen mit Freundinnen und Freunden. Rita fühlte sich von ihrem Vater unter Druck gesetzt („Lass dich doch nicht ausnutzen, suche dir eine Anstellung außerhalb Portugals!”), und Rui fühlte sich von seiner Tochter ausgenutzt, die sich anscheinend keinen Zentimeter bewegte. Diese Unzufriedenheit und wachsende Spannung führte schließlich zu einem gewaltigen Krach während des gemeinsamen Abendessens an Ritas Geburtstag. In den darauf folgenden Monaten hatten sie keinen Kontakt zueinander und litten sehr unter dieser Situation.

Initiative:
Rui, der Rita weiter finanzierte, hörte von einer Freundin, dass die Mediation die beste Methode sei, um Familienkonflikte zu lösen. So kontaktierte er seine Tochter und überzeugte sie, gemeinsam zu einem Vorgespräch mit einer Mediatorin zu gehen.

Erkenntnis:
Womöglich haben sie nie zuvor so offen miteinander gesprochen wie in der Mediation. Sie konnten sich tatsächlich öffnen und offen über ihre Gefühle, Ängste und Bedürfnisse sprechen. Rita wurde bewusst, dass sie vollkommen mit der Unterstützung ihres Vaters rechnen konnte, dass er tatsächlich richtig stolz auf sie war und sie beruflich als engagierte Fachkraft wertschätzte, die eine bezahlte Anstellung verdiente. Sie erkannte, dass die Kritik ihres Vaters keine Frage des Geldes war, sondern sich dahinter sein Wunsch verbarg, dass sie flügge würde. Rui gelangte zu der Erkenntnis, dass Rita sich aus reiner Unsicherheit „nicht bewegte”, dass sie Angst hatte, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen, und sah ein, dass er zu dieser Unsicherheit beigetragen hatte. Er hatte sie zu sehr beschützt und kontrolliert. Beide kamen zu der Erkenntnis, dass sie sich gegenseitig mehr Vertrauen und Respekt entgegenbringen und offener miteinander reden müssen.

Lösung:
In der Mediationsvereinbarung verpflichteten sich Rui und Rita, eine Woche Urlaub in der Algarve zu verbringen, um gemeinsam europaweit auf Jobsuche zu gehen. Rui verpflichtete sich auch, Rita weiter zu finanzieren, bis sie eine Anstellung fände. Falls diese für den Lebensunterhalt nicht ausreichte, würde er Rita mit einem Kredit unterstützen. So wäre Rita unabhängig und würde Verantwortung übernehmen. Rita erklärte sich bereit, ihre gesamte Energie in ihre Zukunft zu stecken (z. B. indem sie je nachdem, in welchem Land sie eine Arbeit fände, einen Intensivkurs in der Landessprache belegen würde).

Ergebnis:
Dem Vater und der Tochter gelang es, ihre Beziehung auf eine neue Basis zu stellen, ihre negativen Gefühle zu überwinden und sich gegenseitig mehr zu vertrauen.